Bibliotheken haben mich schon immer fasziniert, seit ich die erste betreten habe. Als literaturbegeisterte Person gab es für mich keinen Weg an Bibliotheken vorbei. Ich bewegte mich von der Rolle der Leserin, bis hin zur dort Angestellten. Dazu nutzte ich den Weg über die Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste. Würde ich es wieder tun? Definitiv. Ich würde mich immer wieder für diesen Weg entscheiden. Die Gründe dafür, und meine persönliche Erfahrung, habe ich euch heute mal zusammengefasst.
Meine Berufsbezeichnung und die Ausbildung dazu
Beginnen möchte ich diesen Text mit dem häufigsten (aber niemals böse gemeinten) Gerücht über mich: Ich bin KEINE Bibliothekarin. Bibliothekare sind Menschen, die ein Studium zum Diplom-Bibliothekar oder vergleichbare Studiengänge absolviert haben. Somit zähle ich nicht dazu. Ich bin eine FaMI.
Von 2015 bis 2018 absolvierte ich eine Ausbildung als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste, Fachrichtung Bibliothek (kurz: FaMI). Diese Ausbildung gibt es für fünf Fachrichtungen: Bibliothek, Archiv, Medizinische Dokumentation, Bildagentur sowie Information und Dokumentation. FaMIs besuchen dieselbe Berufsschule, arbeiten aber in jeweils einer der fünf genannten Fachrichtungen. Mit meiner Ausbildung in der Bibliothek bin ich somit dafür qualifiziert, in all diesen Bereichen zu arbeiten. Dies gewährte mir Sicherheit, da mir damit mehrere mögliche Türen für Jobs offenstehen.
Die Bibliothek und ich
Ich glaube, ich war etwa neun Jahre alt, als ich zum ersten Mal die kleine Bibliothek unseres Dorfes betrat. Zu Büchern habe ich mich schon immer sehr angezogen gefühlt. Als ich in diesem kleinen, aber feinen Raum stand, hatte ich das Gefühl, das Paradies betreten zu haben. An diesem Tag fand ich zwei ansprechende Witze-Bücher, die ich mir auslieh. Früher haben mich diese sehr begeistert. Das muss wohl an meinem Namen liegen.
Ich war schon immer medienaffin. Kein Buch in meiner Nähe war vor mir sicher. Ich habe alles interessiert gelesen, vieles davon auch mehrmals. Gleichzeitig begeisterte ich mich (wie vermutlich jedes andere Kind) für unterschiedliche Filme und Serien. Als Kind der Generation, die mit dem Computer aufwuchs, probte ich meine künstlerischen Fähigkeiten in Paint, wurde Sims-Architektin und wollte mit Guybrush Threepwood, dem Helden aus dem Computerspiel „Monkey Island“ ein mächtiger Pirat werden.
Kurz gesagt: Ich brauchte die Bibliothek. Irgendwann war ich auch mal am alten Standort der Bibliothek in Sömmerda. Dort fand ich es auch sehr schön. Das Angebot war deutlich größer und ich genoss es, diese vielen anderen Medien zu entdecken.
Vollkommen überwältigt war ich jedoch 2005, als die Stadt- und Kreisbibliothek Sömmerda ins Dreyse-Haus zog. Als ich das erste Mal dieses Haus betrat, wusste ich, dass ich dort arbeiten wollte. Ich bewunderte das schöne Gebäude, die herrliche Umgebung und beobachtete interessiert die Angestellten bei ihrer Arbeit. Das wollte ich auch. Jedoch erschien es mir ungreifbar, so einen Traumjob jemals zu bekommen. Zum Glück hatte ich mich getäuscht.
Wie ich den Job bekam
Nach meinem Realschulabschluss machte ich mein Abitur an einem Beruflichen Gymnasium. Mit leidenschaftlicher Sentimentalität denke ich an diese wunderbaren drei Jahre zurück. Trotzdem waren diese geprägt von einem fiesen Druck, der mich neben dem Lerndruck belastete: Ich musste mich entscheiden, was ich mit meinem Leben anfangen will. Eine Ausbildung oder ein Studium? Meinte Noten hätten für beides gereicht. Jedoch lockte mich die finanzielle Sicherheit. Der Gedanke an die Bibliothek war zu diesem Zeitpunkt etwas in die Ferne gerückt. Ich sah keine Chance diesen Job bekommen zu können.
Dann entdeckte ich die Ausschreibung für die Ausbildung in der Stadt- und Kreisbibliothek Sömmerda. Sofort war ich Feuer und Flamme. Diesen Wink des Schicksals konnte ich nicht ignorieren. Zügig schrieb ich die Bewerbung, absolvierte den Einstellungstest und wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Während und nach dem Gespräch hatte ich ein sehr gutes Gefühl. Ich hatte mich gut vorbereitet und war zufrieden mit meinen Antworten. Ich hatte alles versucht und hoffte nun auf den Job. Und dann bekam ich ihn.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich Zusagen für mehrere Ausbildungsstellen, alle im öffentlichen Dienst. Ich wusste genau, dass die Stadt- und Kreisbibliothek Sömmerda die richtige Wahl für mich war und bereue diesen Schritt nicht. Auch von meinem Umfeld war ich begeistert. Freunde, Mitschüler, Verwandte, Bekannte und sogar meine Lehrer sagten mir fast ausnahmslose dasselbe: „Das passt perfekt zu dir!“
Der Ablauf der Ausbildung
Die Ausbildung zum FaMI dauert insgesamt drei Jahre. Blockweise war ich abwechselnd in der Berufsschule und in der Bibliothek. Der schulische Teil der Ausbildung fand in Sondershausen statt. Zusätzlich gehören zu der typischen FaMI-Ausbildung auch mehrere Praktika.
Die Schule war okay für mich. Der erste Moment in der Ausbildung fühlte sich nach einer Vollbremsung an: Etwa vier Monate zuvor hatte ich für meine Abi-Prüfungen sämtliches Wirtschaftswissen in meinem Kopf zu halten versucht, mir komplexe Rechenwege von Mathe-Aufgaben verinnerlicht und an meinen Sprachenkenntnissen gefeilt. Auf einmal merkte ich, dass das Lernen dort ein anderes war. Fleiß stand dort vor allem im Vordergrund.
In der Berufsschule erfuhr ich, dass es zwei Hauptarten von Bibliotheken gibt: Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken. Als Öffentliche Bibliotheken gelten beispielsweise Stadtbibliotheken. Ein Beispiel für Wissenschaftliche Bibliotheken sind Universitätsbibliotheken. Ich fand es spannend, wie diese sich in ihren Arbeitsweisen unterscheiden und bekam das Gefühl, dass es zwei verschiedene Jobs sind.
Praktika
Für die Ausbildung als FaMI sind mehrere Praktika vorgesehen. Meine Praktika haben mir ausnahmslos super gefallen. In jedem Praktikum fühle ich mich gut aufgehoben, super betreut und wertgeschätzt. Diese Art der Arbeitserfahrung machte mich offener und sorgte für viel Abwechslung in der Ausbildung. In der Berufsschule halfen mir die Praktika insofern, dass ich Abläufe aus Wissenschaftlichen Bibliotheken und Archiven nun besser verstehen konnte, da ich diese somit in der Praxis auch mal erlebt hatte.
Unterschiede zur wissenschaftlichen Bibliothek
In einer Universitätsbibliothek lernte ich, wie groß die Unterschiede zwischen Öffentlichen und Wissenschaftlichen Bibliotheken sind. Die Arbeit dort war etwas trockener (aber nicht uninteressant), genauer und verwaltungsorientierter. Beispielsweise haben die Studenten dort ganz andere Fragen und deutlich geringere Kommunikationsbedürfnisse als die Leser, die bei uns ihre Medien ausleihen. Auch die Auswahl und Beschaffung der Medien läuft in einer Universitätsbibliothek komplett anders (und komplizierter) ab. Trotzdem faszinierte mich die Arbeit dort. Ich staunte, was es alles für großartige Lernbereiche für die Studenten gibt, inklusive Arbeitskabinen, in denen ungestört gelernt werden kann.
Keineswegs langweilig – das Archiv
Da ich eine leidenschaftliche Ahnenforscherin bin, freute ich mich besonders auf die Praktika im Archivbereich. Ich weiß aber auch, dass viele Bibliotheks-FaMIs diese Meinung nicht teilen. Sie halten es für verstaubt und langweilig. Mir hat es dagegen gefallen und ich fand es unglaublich interessant. Ich liebte es, mit den alten Akten zu arbeiten, Informationen zu suchen und alte Handschriften zu entziffern. Sehr spannend, wenn auch schockierend, war auch das Praktikum im Stasi-Unterlagen-Archiv.
Die Menschen, die in Bibliotheken arbeiten
In unserem Team fühlte ich mich schnell wohl. Im Laufe der Jahre entdeckte ich, dass Bibliotheksangestellte ein spezielles Völkchen mit ihren liebenswerten Eigenheiten und Eigenschaften sind. Bibliothekare haben den Ruf, sehr viel zu lesen und sehr ordnungsliebend zu sein. FaMIs sind dagegen oft eher die Paradiesvögel.
Ich hatte das Glück, in einer sympathischen Berufsschulklasse zu sein, in der ich auf die unterschiedlichsten Persönlichkeiten traf. Ich fühlte mich pudelwohl darin: Viele von ihnen lasen sehr viel und ich konnte interessante Literaturunterhaltungen führen. In dieser Klasse gab es auch leidenschaftliche Musik- oder Film-Freaks, aber auch begeisterte Vollblutzocker. Andere wiederum waren auf eine andere, durchgeknallte Art einfach liebenswert und ich denke gerne an die Unterhaltungen zurück. In dieser Schulzeit sind auch einige Freundschaften entstanden, die bis heute existieren.
Auch durch Fortbildungen habe ich viele freundliche Bibliotheksmitarbeiter kennengelernt. Diese erwiesen sich meist als sehr kontaktfreudige, lustige und sympathische Personen, mit denen man schnell ins Gespräch kommt. Oft erlebe ich bei Weiterbildungen, dass viele dort für ihren Beruf „brennen“ und mag die anregenden Gespräche. Ich spüre, dass uns vieles verbindet. In dieser Gesellschaft fühle ich mich sehr wohl.
Was liebe ich an der Arbeit in der Bibliothek?
Bibliotheken sind eine unfassbar vielseitige Branche. Ich staune immer wieder über das umfangreiche Angebot und die kreativen Ideen, die im Bibliothekswesen umgesetzt werden. Außerdem ist es mir sehr wichtig, einen Job zu haben, in dem es keine strenge vorgeschriebene Kleiderordnung gibt und ich auf Arbeit meine Weihnachtspullover und Harry-Potter-Ohrringe tragen darf.
Jeder Tag in der Bibliothek ist ein eigenes kleines Abenteuer. Wir wissen nie, wer an diesem Tag unsere Bibliothek betreten wird. Es gibt täglich zahlreiche schöne und lustige Momente mit unseren Lesern. Zu uns kommen die meisten Personen freiwillig in ihrer Freizeit und dementsprechend ist die Grundhaltung. Es macht Spaß, ihnen das Buch zu geben, das ihnen bei ihren Problemen weiterhelfen kann.
Täglich bekommen wir unzählige Fragen gestellt. Diese reichen von „Hat Autorin XY ein neues Buch geschrieben?“, über „Wann erscheint der vierte Teil der Reihe?“, bis hin zu „Ich suche ein Buch, das ist gelb. Wissen Sie, welches ich meine?“ Sogar die letzte Frage bekommen wir oft gelöst. Ich liebe es, nachzuhaken und mithilfe kleiner Puzzleteile wie „Die Autorin war Französin“, „Die Protagonistin hieß Madeleine“ und „Auf dem Buch war eine Frau mit Regenschirm abgebildet“ dann schlussendlich das richtige Buch zu finden. Oft ist es vergleichbar mit einer schönen Detektivarbeit.
Das Angebot von Bibliotheken
Traditionell beschränkten sich Bibliotheken auf die Ausleihe von Büchern. Diese wurden um ziemlich alle vorstellbaren Medienarten ergänzt. In der Bibliothek in Sömmerda gibt es beispielsweise Romane, Sachbücher, CDs, DVDs, Blu-rays, Konsolen, Konsolenspiele, Tonie-Figuren und Gesellschaftsspiele. Dementsprechend vielfältig ist auch der Arbeitsalltag. Während viele nach einer schönen Buchempfehlung fragen, sind andere für die Empfehlung von guten Filmen dankbar. Durch den Austausch mit den Nutzern bekomme ich auch immer mal wieder gute Medien empfohlen.
Begeistert bin ich auch von der Möglichkeit der Fernleihe. Aus allen teilnehmenden Bibliotheken in Deutschland können Bücher (und andere Medien) gegen eine geringe Gebühr bestellt werden. Ein gutes Fachbuch kostet schnell mal 70 Euro. Durch die Fernleihe konnte ich diese Bücher für unter fünf Euro lesen. Deshalb sind Bibliotheken auch mein liebster Spar-Tipp.
In Öffentlichen Bibliotheken finden zahlreiche Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene statt. Neben Lesungen und Buchvorstellungen sind das auch oft Kabarettprogramme, Live-Musik-Veranstaltungen, Buchflohmärkte oder sogar Kunstweihnachtsmärkte. Dieser Teil der Arbeit bedeutet auch viel Abwechslung im Arbeitsalltag und sorgt für schöne, einmalige Momente.
Wunderschöne Orte
Viele Bibliotheken haben sich in den letzten Jahren zu außergewöhnlich gemütlichen Aufenthaltsorten entwickelt. Dies wird im Fachjargon auch als „Dritter Ort“ bezeichnet, in dem sich die Menschen neben ihrer Wohnung und ihrem Arbeitsort aufhalten. Deshalb sorgen immer mehr Bibliotheken dafür genügend Sitzplätze, Spiel-, Lern- und Wohlfühlecken für ihre Besucher bereitzustellen. Auch als Angestellte ist es sehr angenehm, an einem so schönen Ort, in einer schönen Umgebung zu arbeiten.
Keineswegs verstaubt
Bibliotheken sind keinesfalls out. Die Angestellten dort sind keine verklemmten, dutttragenden Langweiler. Mit diesen Vorurteilen haben wir manchmal immer noch zu kämpfen. Aber es stimmt einfach nicht. Wenn wir mal einen Dutt tragen, dann mit Stil! Bibliotheken sind hochaktuell und wichtige Kultur- und Bildungseinrichtungen in Städten. Sie sind (nicht nur für mich) nicht wegzudenken und es ist schön dort arbeiten zu dürfen.
Weitere Chancen
Mein bester Freund verübelte mir für sehr lange Zeit, dass ich eine Ausbildung gemacht habe, statt zu studieren. Jedoch war die Ausbildung für mich der Weg in meinen Traumjob. Mit einem Studium in der Richtung direkt nach dem Abitur wäre nach meinem Abschluss keine Stelle frei gewesen. Außerdem entdeckte ich durch die Arbeit in der Bibliothek meine PR-Leidenschaft und kann dieses Studium nun berufsbegleitend durchführen. Ich bin mir sicher, dass ich jede dieser Entscheidungen richtig getroffen habe und bereue nichts.
Ja, du hast damals wirklich alles richtig gemacht.
Schön, dass du letztendlich doch noch zur Uni bist.
Schöner Text, wie immer 🙂
Ach Bene, dein Kommentar ist wie immer sehr schön, danke dafür! 😇 Ich bin auch froh darüber, wie es gekommen ist. Du hast mir damals Glück gebracht, als ich mich beworben habe. 😉